Jean-Pierre Gallati, Regierungsrat und Gesundheitsdirektor Kanton Aargau (SVP)
Im Kanton Aargau wird die Drogen- und Suchtproblematik immer sichtbarer. Besonders in städtischen Gebieten zeigt sich ein verstärkter öffentlicher Drogenkonsum, der Unsicherheiten in der Bevölkerung auslöst und neue Herausforderungen für die Gesundheits- und Sozialpolitik schafft. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati will auf die Problematik mit einer neuen Suchtstrategie reagieren. Diese soll die bewährte nationale Vier-Säulen-Politik – bestehend aus Prävention, Behandlung, Schadensminderung und Repression – auf die regionalen Bedürfnisse zuschneiden. Dabei hebt Gallati hervor, dass die Schadensminderung aktuell im Zentrum der Strategie stehen muss. Der öffentliche Raum, besonders in urbanen Zentren, hat sich zu einem Schauplatz der Drogenproblematik entwickelt und führt zu anhaltenden Konflikten zwischen den Bedürfnissen der Bevölkerung und jenen der Konsumierenden.
Eine Strategie für Aargau: Die Vier-Säulen-Politik im Detail
Die Vier-Säulen-Politik hat sich in der Schweiz als eine der wichtigsten Strategien in der Suchtbekämpfung etabliert und wird von den meisten Kantonen, darunter Aargau, übernommen. Sie baut auf vier zentrale Bereiche: Prävention, Behandlung, Schadensminderung und Regulierung. Im Rahmen dieser Politik plant der Kanton Aargau eine spezifische kantonale Suchtstrategie, die nicht nur die bisherigen Massnahmen weiterentwickeln, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren intensivieren soll. „Es geht darum, alle relevanten Akteure an einen Tisch zu bringen und den Austausch zu stärken, damit wir ein wirkungsvolles Suchthilfesystem aufbauen können“, so Gallati.
Herausforderungen der Schadensminderung und der öffentlichen Ordnung
Gallati betont, dass es besonders im Bereich der Schadensminderung grossen Handlungsbedarf gibt. Die steigende Sichtbarkeit der Drogenszene in städtischen Gebieten verunsichert die Bevölkerung und erschwert die gesellschaftliche Integration der Betroffenen. Neben der gesundheitlichen und sozialen Herausforderung geht es auch um öffentliche Sicherheit. Der Kanton möchte mit einer gezielten Strategie und neuen Massnahmen dem steigenden öffentlichen Konsum und den sichtbaren Drogenszenen entgegentreten.
Dabei arbeitet das Gesundheitsdepartement eng mit der Polizei, Sozialdiensten und unabhängigen Trägerschaften wie der Aargauischen Stiftung Suchthilfe zusammen, um ein umfassendes Suchthilfesystem zu schaffen. Ein Beispiel dieser Zusammenarbeit ist die „Arbeitsgruppe Sicherheit am Bahnhof Brugg Windisch“, die sich für mehr Ordnung und Sicherheit an einem der meistfrequentierten Bahnhöfe im Kanton einsetzt. Gallati sieht in diesen Kooperationen eine effektive Möglichkeit, die Problematik gezielt und praxisnah zu adressieren.
Prävention und Aufklärung – Wissen als Schutz
Ein weiterer Schwerpunkt der Suchtstrategie ist die Prävention und Sensibilisierung der Bevölkerung. Gallati hebt hervor, dass Prävention ein zentrales Element ist, um den Einstieg in die Sucht zu verhindern und die langfristigen Auswirkungen zu minimieren. Der Gesundheitsdirektor betont, dass es besonders im Zeitalter des Internets und der Digitalisierung neue Gefahren gibt. Der Online-Drogenhandel, insbesondere über das Darknet, stellt eine zunehmende Bedrohung dar. „Die Bevölkerung muss sich der Risiken bewusst sein, die mit dem Online-Drogenhandel verbunden sind“, so Gallati. Der Kanton plant daher, Informationskampagnen zu verstärken und durch Aufklärung gezielt auf die Gefahren des Darknets hinzuweisen.
Unterstützt wird die Präventionsarbeit durch die Aargauer Suchtpräventionsstelle und acht ambulante Beratungsstellen, die im gesamten Kanton verteilt sind. Diese Stellen bieten nicht nur Aufklärung, sondern auch niederschwellige Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige.
Finanzielle Dimension der Suchtbekämpfung im Kanton Aargau
Der Kanton investiert jährlich rund 17 Millionen Franken in Suchthilfemassnahmen. Ein Grossteil dieser Mittel fliesst in die stationäre Versorgung und psychosoziale Angebote. Die Überprüfung der Effizienz dieser Investitionen wird regelmässig vorgenommen. Gallati betont jedoch, dass die Wirkung vieler Massnahmen erst langfristig messbar ist und daher schwer zu quantifizieren ist.
Studien zeigen jedoch, dass Prävention ökonomisch sinnvoll ist: Jeder Franken, der in die Prävention von Alkoholproblemen investiert wird, kann langfristig einen finanziellen Nutzen von etwa 23 Franken bringen, bei der Tabakprävention sind es sogar rund 41 Franken. Solche Zahlen verdeutlichen, wie wichtig präventive Massnahmen auch aus finanzieller Perspektive sind. Gallati ist davon überzeugt, dass die neue Suchtstrategie eine gute Grundlage bietet, um die eingesetzten Mittel noch gezielter und effizienter zu nutzen und die Massnahmen zu optimieren.
Flexible und Zukunftsorientierte Suchtpolitik
Für Gallati ist klar, dass die Drogenproblematik nicht vollständig gelöst werden kann. „Der Konsum von Suchtmitteln ist seit jeher Teil unserer Gesellschaft, und wir müssen lernen, damit umzugehen.“ Die Suchtpolitik müsse daher flexibel bleiben, um auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Neben dem Kokainkonsum und dem Mischkonsum, der besonders bei Jugendlichen besorgniserregend ist, beobachtet die Fachstelle Sucht im Kanton auch neue Entwicklungen im Bereich der Verhaltenssüchte, wie exzessives Glücksspiel, Gaming und problematische Mediennutzung. Auch das Aufkommen neuer synthetischer Drogen, wie Nitazene, wird im Kanton genau beobachtet.
In enger Zusammenarbeit mit anderen Kantonen und Fachorganisationen ist die Fachstelle Sucht bestrebt, auf neue Herausforderungen vorbereitet zu sein. Die Teilnahme an der Konferenz der kantonalen Beauftragten für Suchtfragen (KKBS) ermöglicht es dem Kanton, sich frühzeitig über Entwicklungen und Massnahmen auszutauschen.
Die Rolle der interkantonalen Zusammenarbeit und übergreifende Kooperation
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Strategie ist die interkantonale Zusammenarbeit. Im Bereich der Suchthilfe kooperiert der Kanton Aargau mit anderen Kantonen, um überregionale Angebote zu nutzen und nicht eigenständig parallel Strukturen aufbauen zu müssen. So ist Aargau Teil der interkantonalen Vereinbarung für Soziale Einrichtungen (IVSE), die regionale Planung und Nutzung sozialer Angebote im Bereich der stationären Suchthilfe fördert. Gallati sieht darin eine Möglichkeit, Ressourcen effizient zu nutzen und gleichzeitig den Zugang zu spezialisierten Hilfsangeboten für die Bevölkerung zu sichern.
Jean-Pierre Gallati, 16.09.2024: Schriftliche Auskunft von Jean-Pierre Gallati, Aargau
Unser Fazit:
Der Kanton Aargau begegnet der Suchtproblematik mit einer umfassenden, pragmatischen Strategie, die auf Prävention, Schadensminderung und Behandlung fokussiert und sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientiert. Gallati ist überzeugt, dass nur eine flexible und umfassende Suchtpolitik langfristig Wirkung zeigen kann. Die kantonale Suchtstrategie wird dabei nicht nur die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure stärken, sondern auch dazu beitragen, eine nachhaltige und anpassungsfähige Lösung zu finden, die sowohl die Betroffenen unterstützt als auch die Gesellschaft schützt.
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